ESSAY III für Orchester


Der Essay III war ein Auftragswerk des Theaters Stralsund. Hans-Peter Richter dirigierte die Uraufführung am 1. November 1971 (2 mal am gleichen Abend), am 2. November eine Aufführung in Puttbus und am 3. März 1975 in Schwerin. …

Gleich die erste Notenseite der Partitur zeigt, dass den Interpreten die zwölf Töne der chromatischen Skala innerhalb des vorgegebenen Rahmens, zum Beispiel der großen Septime, zur Verfügung stehen. Aus der „äußerst schnellen Spielart“ im Staccato und Spiccato taucht aus dem pp im crescendo zum f ein gehaltener Klang auf, der in seiner Bauweise mit den weiten Intervallen und dem recht tiefen Register sehr an die eindrucksvollen Klangfarben-Konstruktionen des Essay I erinnert, wo speziell ausgedünnte Cluster Gegenstand des Essays waren. …

Eine erste Klangmassenaktion, bei der jede Stimme des Orchesters laut Partitur-Anweisung schnell, aber frei und unabhängig voneinander über 20 Sekunden ihre ausgeschriebene und zu wiederholende Passage respektive intern vertauschbare Tongruppen im ff spielt, weist deutlich auf die kompositorische Absicht des Komponisten hin, nämlich die Darstellung von Massenereignissen, die nicht mehr exakt ausnotiert, sondern viel stärker darauf orientiert ist, dass ein Orchester optisch deutlich macht, dass hier wirklich 80 oder 100 Leute beteiligt sind, und von denen jeder plötzlich etwas anderes macht, jedoch unter bestimmten Voraussetzungen (F. Goldmann). …

Goldmann versteht es, aktuelle Kompositionstechniken aufzunehmen und sie seinem eigenen Duktus anzuverwandeln. Er befreit sich von den Zwängen traditioneller Formensprache und findet zu einer flexiblen Expressivität. Der ’Essay‘ bietet ihm die Möglichkeit, Momente, Abschnitte, Ereignisfelder auf bestimmte Weise zu formen, ohne den Faden der Zwölftönigkeit aus der Hand zu geben, dabei entsprechen die starken Kontraste ganz seiner zu dieser Zeit ungestümen Natur. …

Was im Essay III sich in überaus bemerkenswerten Ansätzen zeigt, wird dann mit großer Kunstfertigkeit in der ersten Sinfonie von 1972/1973 ausgearbeitet und eigenwillig geformt. Mit welcher Präzision und Dichte der Verknüpfungen Goldmann da zu Werke geht, zeigt das energiegeladene, kontraststarke Thema des ersten Satzes (vgl. Kontressowitz, Annäherungen II. Zur Biographie und zu den Sinfonien von Friedrich Goldmann, Altenburg 2020, S. 53 ff).