Das soziologische Problem der
Gegenüberstellung von Massenereignissen scheint Goldmann in diesem Essay
besonders beschäftigt zu haben. Tatsächlich finden sich metrisch gebundene
Abschnitte neben senza tempo-Abschnitten, durchorganisierte neben Abschnitten,
in denen die Instrumente „unabhängig voneinander relativ schnelle, aber
unregelmäßige Figuren-Gruppen“ spielen oder Streicher „col legno battuto
beliebige Tonhöhen sul G“, und die Schlagzeuger schnell aber unregelmäßig mit
den Fingern auf Bongos oder Tom-Toms trommeln, wie im ersten senza
tempo-Abschnitt. Goldmann eröffnet den Essay II mit einer starken,
raumgreifenden Geste (s. NB), die schon auf den Beginn seiner vier Jahre später
komponierten ersten Sinfonie vorauszuweisen scheint. (vgl. Annäherungen II
– Zur Biographie und zu den Sinfonien von Friedrich Goldmann, Altenburg 2020,
S. 53)
Auch wenn metrisch gebundene
Abschnitte immer wieder mit freien Klangmassen-Einbrüchen konfrontiert werden
und aus diesem Kontrast sich die Spannung aufbaut, bleibt der Ablauf – trotz
aller Gefahr für die Form – aufgrund seiner Beschaffenheit und der Dichte des
verflochtenen Materials weitgehend stringent. Die rhythmischen Gestalten – das
meint das Verknüpfen der Tonhöhen mit der Zeit, den Intervallen und
Intervallkombinationen immer wieder unterschiedliche Dauern zuzuordnen, sie für
den „motivisch-thematischen“ Zusammenhalt zu konditionieren, dem sich Goldmann
zeitlebens nur schwer entziehen kann – fügen sich in eigenwillige Kombinationen
bis hin zu kontrapunktischen Strukturen.