Reiner Kontressowitz (Hrsg.), XII Concerti Opus IX und X von Tommaso Albinoni
Tommaso
Albinoni
als einen der Großen aus Venedigs musikalischem Erbe zu
bezeichnen, ihn also
direkt neben Antonio Vivaldi zu stellen, hieße heutzutage
Eulen nach Athen zu
tragen. Doch erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts begann
sich die
kunstsinnige Welt dem Werk des Venezianers wieder mehr zuzuwenden.
Allerdings
ist hier nicht der Ort, darüber nachzudenken, welche Bedeutung
Albinoni zugeschrieben
werden kann, beispielsweise seinen Beitrag an der Entwicklung der
Solokonzertform zu umreißen. Allein der musikalische Wert
seiner Kompositionen
steht zur Debatte, und der kann ohne Zweifel neben dem Vivaldis
bestehen. Etwa
seit Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mehren sich auch
die
Notenausgaben von Werken Albinonis, meist Einzelausgaben, dazu
Bearbeitungen in
unterschiedlichsten Besetzungen, ein Kennzeichen für
Beliebtheit. Besonders das
„Adagio“ steht in einer Verbreitungsskala ganz
oben, wobei nicht einmal
eindeutig belegt werden kann, ob es ein Werk Albinonis ist.
Reiner Kontressowitz, der Herausgeber
der vorliegenden
Bandausgaben mit den „Concerti“, hat es sich zum
Ziel gesetzt, zuverlässige
Quellen zu edieren, die dort enthaltenen
Fehler zu eliminieren und Unstimmigkeiten, die aus der
Aufführungspraxis
herrühren, in einem Kritischen Bericht zu erfassen und ein
bestmögliches
Notenbild zu liefern. Er ist absolut qualifiziert dafür,
beschäftigt er sich
doch während seines ganzen Berufslebens immer wieder mit dem
Werk Albinonis,
angefangen mit seiner Diplomarbeit „Zum Formprinzip im
Solokonzert Tomaso Albinonis“
(1974), hat Quellenmaterial gesichtet und ausgewertet und manche
persönlichen
Kontakte zu dem Albinoni-Forscher Michael Talbot genutzt, Einzelfragen
zu
diskutieren. Das Ergebnis ist sichtbar, vorerst in vier Bänden
(Verlagsgruppe Kamprad
Altenburg www.vkjk.de)
mit den jeweils 12
Concerti Opus IX und X, erschienen 2018. Weitere Bände sind in
Vorbereitung: je
12 Concerti Opus V und VII (2019) und 6 Concerti Opus II (2020), quasi
eine
Gesamtausgabe der
„Concerti“, die in
zeitgenössischen Sammlungen eigener Werke vorliegen.
Für die beiden ersten der
erschienenen Ausgaben benutzte der
Herausgeber die Frühdrucke als Quellen, zwei, die zu Lebzeiten
des Komponisten
erschienen waren, für Opus IX von Jeanne Roger Amsterdam
(1722) und für Opus X
von dessen Nachfolger Michele Carlo Le Cene Amsterdam (1735/36). Die
Sorgfalt
dieser Verleger war schon seinerzeit in ganz Europa bekannt, und viele
– oft
auch italienische – Komponisten legten großen Wert
darauf, dort drucken zu
lassen. Auch in unserer Zeit konnte durch Forschungs- und
Editionsarbeiten (z.
B. Vivaldi) immer wieder bestätigt werden, dass diesen
Ausgaben ein hoher Quellenwert
zugestanden werden kann, oftmals ein größerer als
verschiedenen Abschriften,
die sich zu Lebzeiten der Komponisten verbreitet hatten.
Diese Partitur-Ausgabe prüft
kritisch die verwendete Quelle
und berichtigt offensichtliche Fehler, wobei diese Verbesserungen in
einem kurz
gefassten Kritischen Bericht angegeben sind. Sie brilliert durch eine
höchst
sorgfältige Arbeit, durch sparsame, gut gekennzeichnete
Zusätze des Herausgebers
und ein großzügiges, sehr gut lesbares Notenbild.
Betont werden muss, dass
nicht nur jeweils 6 Concerti umfassende Partituren vorliegen, sondern
dass im
Verlag auch Einzelpartituren sowie das Stimmenmaterial zu jedem
einzelnen
Concerto als Aufführungsmaterial zur Verfügung stehen.
Klaus Burmeister, Dresden Januar 2019
Der Abdruck erfolgt mit
freundlicher Genehmigung des Rezensenten.